Das literarische Quartett über das Manifest

 

Diesmal nur zu dritt, v.l.n.r.: Reich-Ranitzki, Heidenreich, Karasek. Hier das Finale:     

Reich-Ranicki:

„Meine Damen und Herren, dieser Text – dieser Ich will aber nicht! – das ist nicht Literatur im klassischen Sinne. Das ist eine Abrechnung. Eine Anklage. Und eine ziemlich scharfe dazu. Ich würde sagen: dieser Autor schreibt mit der Faust.


Karasek:

„Aber Marcel, genau das macht’s ja so spannend. Das ist nicht Wohlfühlliteratur – das ist Streitliteratur. Und zwar im besten Sinne. Der Text spuckt nicht nur auf das Elternbild, er zerlegt es – mit chirurgischer Wut.“


Heidenreich:

„Na, ihr Männer wieder mit euren Skalpell-Metaphern… Ich find das Ding großartig. Weil’s sagt, was sonst keiner sagt.

Ich hab’s gelesen, und dachte: Endlich mal einer, der nicht drumherum redet. Dieses ganze ‚Eltern haben’s gut gemeint‘-Gefasel… weg damit.

Happy Harry haut einen raus, und das ist mutig.“


Reich-Ranicki:

„Mutig, ja – aber auch einseitig! Es gibt keine Grautöne! Keine Ambivalenz! Nur Schuld und Forderung

Das ist kein Text, das ist ein Urteil. Und wer so schreibt, will nicht überzeugen – der will Blut sehen.“


Karasek:

„Vielleicht, Marcel, ist das ja genau das, was unsere Zeit braucht? Eine Stimme, die nicht mehr diskutiert, sondern konstatiert: So ist es. Punkt.

Das ist ja fast biblisch.“


Heidenreich (zieht die Augenbraue hoch):

„Ach komm, Hellmuth. Biblisch? Der Text ist atheistisch wie ein nasser Waschlappen. Aber er ist klug. Und aufrichtig. Und das zählt.

Ich würd’s jedem empfehlen – besonders denen, die glauben, Kinderkriegen sei der Sinn des Lebens. Die kriegen dann mal schön Schnappatmung.“


Reich-Ranicki:

„Gut. Ich bin dagegen. Aber ich verneige mich.

Denn wer so schreibt, will etwas verändern. Und das, meine Damen und Herren, ist mehr, als 90 Prozent aller Texte wollen.“


Karasek (lächelt):

„Also zwei Daumen hoch – und ein sehr steiler Zeigefinger.“


Reich-Ranicki (schaut finster):

„Sagen wir so: Ich würde es nicht empfehlen –

aber ich würde jeden dazu zwingen, es zu lesen.“


Heidenreich:

„Und von mir: Ein Herz. Weil der Text weh tut – und trotzdem bleibt.“



Dieses Gespräch hat nie stattgefunden – aber es hätte stattfinden können. Es ist Teil meiner Perfomance.